Dürens Aufschwung und seine Schattenseiten
Serie „Denkmal Grüngürtel“, Teil 1: Wie alles begann
Wussten Sie, dass der Grüngürtel, den wir heute als ein stadtplanerisches und architektonisches Juwel schätzen, aus einer Not heraus entstand?
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war Düren eine boomende Industriestadt. Innerhalb von rund 50 Jahren war die Bevölkerung von knapp 10.000 auf über 30.000 Einwohner gewachsen, vor allem aufgrund des Zuzugs von Industriearbeitern. Doch der schnelle wirtschaftliche Aufschwung hatte eine Schattenseite: Die Wohnbedingungen für viele Arbeiterfamilien waren katastrophal. Eng, dunkel, unhygienisch – so sah der Alltag in den überfüllten Innenstadtquartieren aus.
Für den damaligen Oberbürgermeister August Klotz und seinen Stadtbaumeister Heinrich Dauer war das der Anlass, die Initiative zu ergreifen. So fanden im März und April 1902 etwa 50 Personen im Dürener Rathaus zusammen, um eine Aktiengesellschaft zur Errichtung von Arbeiterwohnungen zu gründen. Der Anfang des Dürener Bauvereins, der in den zwölf Jahren bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs fast 50 Ein-, Zwei- oder Mehrfamilienhäuser am Girbelsrather Weg, an der Paradies-, Yorck-, Kolping- und Liebigstraße sowie am Bongard baute.
Die Geburt einer Idee
Neue Häuser an der Schoellerstraße und der Scharnhorststraße stellten die Geburt einer ganz besonderen Idee dar. Sie waren der Anfang der Siedlung Grüngürtel, einem städtebaulich wegweisenden Projekt Heinrich Dauers. Leitmotiv für sein Konzept waren die Ideen der Gartenstadtbewegung. Sie war eine Ende des 19. Jahrhunderts in England entstandene Stadtplanungsbewegung, die darauf abzielte, die Vorzüge von Stadt und Land zu verbinden, um eine gesündere Wohnform für Industriearbeiter zu schaffen. Ein Kern waren große Durchlüftungsachsen in Form von Freiflächen für die Allgemeinheit. Die Bewegung sollte das unkontrollierte Wachstum der Großstädte eindämmen und durch eine Trennung von Wohnen, Arbeiten und Erholung eine soziale Durchmischung fördern.
1913 war die Gründung der Beamtenbaugenossenschaft ein weiterer Meilenstein für die Verwirklichung der neuen Siedlungsidee. Die Genossenschaft, aus der die heutige Gemeinnützige Wohnungsbaugenossenschaft für Stadt und Kreis Düren hervorging, diente dem Ziel, die Wohnungsnot der städtischen Bediensteten zu lindern. Bauverein und Genossenschaft wurden treibende Kräfte der Grüngürtel-Entwicklung. Unter der Leitung Heinrich Dauers und mit den Entwürfen seines Mitarbeiters Max Ernst Schneiders begann die Realisierung des ehrgeizigen Projekts. Das Ziel war klar: Eine Siedlung, die nicht nur Dächer über dem Kopf bietet, sondern ein Zuhause mit echter Lebensqualität.
Und so geht es weiter …
Im nächsten Teil unserer Serie blicken wir auf architektonische Besonderheiten: Warum roter Klinker das verbindende Element der Siedlung ist und wie der Grüngürtel zu einem „gebauten Lehrbuch“ der Architekturgeschichte wurde.



